Donnerstag, 24. November 2011

Onsen, die heißen Quellen Japans

Oder: "Wie ich (mich) auszog um umzukippen." 
Eine heitere Geschichte von Mareike W. mit mittleren Katastrophen und Happy End.

Es war an einem schönen Mittwoch Mittag, der Dank des Erntedankfestes ein Feiertag in Feier-Japan war.
Dennis und ich planten die "Jan-Dirk Gedächtnistour" zu machen, die wir von einem Deutschen Professor mit dem Namen "Jan-Dirk" empfohlen bekommen hatten.

Die Sache hatte einen kleinen Haken: Ich war nicht 100%ig fit. Außerdem war ich furchtbar aufgeregt, weil im Anschluss an die Wandertour ein Besuch im Onsen eingeplant war.
Die Folge: Ich vergaß meinen Regenschirm und den Fotoapparat.
Geregnet hat es zum Glück nicht, aber das wäre auch das kleinere Übel gewesen. Wir fahren also mit der kleinen Eizan-Bimmelbahn bis zur vorletzten Station und wandern Richtung Kibune. In Japan heißt das meistens, dass man auf der kleinen Bergstraße laufen muss auf der natürlich auch Autos in beide Richtungen verkehren. Trotzdem war es ganz schön, denn die steilen, mit Nadelbäumen bewachsenen Hänge und das Flüsslein neben der Straße erinnerten ganz stark an das Sauerland.
Auf einmal erschreckte sich Dennis und machte "Waaahh!" worauf ich mich noch viel furchtbarer erschreckte, kreischte und zurück sprang. Der Grund: da lag eine kleine, tote Schlange auf der Straße. Viel Lärm um nichts also. Nett wie ich bin wollte ich das Tier wenigsten noch die Böschung runter schmeißen. Leider stellte sich heraus, dass die Schlange doch noch irgendwie ein bisschen lebt. Ich frage mich immer noch, wie das bei den Verletzungen sein konnte. Naja, jetzt ist sie hoffentlich irgendwo nahe des Wassers gestorben.
In Kibune fanden wir dann auch den Wanderweg über den Kurama-Berg nach Kurama. 200 Yen Eintritt! Hä? Warum? Tja, so ist das hier. Wanderwege sind selten, da sie meist privat angelegt worden sind, wie in diesem Fall von Schreinen und Tempeln die auf dem Weg im Wald lagen. Sogar ein kleines Museum gab's am Ende.
Und wie wir da so wanderten musste ich immer wieder Pause machen, weil mir schnell die Puste ausging.
In Kurama fanden wir Dank meines hervorragenden Orientierungssinnes (und einer Karte) schnell den richtigen Weg zum Onsen und ich wurde immer aufgeregter.

Ihr müsst wissen, dass in einem Onsen Männlein und Weiblein getrennt werden.
Meine Ängste waren folgender Natur:

  • Was ist, wenn ich was falsch mache?
  • Was ist, wenn mich alle anstarren?
  • Was ist, wenn ich die einzige Ausländerin bin?

... und so weiter. Ich hatte einfach ganz furchtbar Angst in irgendeiner Art und Weise aufzufallen. (Bitte merkt euch diesen Satz! Er wird noch wichtig werden.)
Wir entschieden uns für ein Ticket für den Innen- und Außenbereich. Man bekam einen Baumwoll-Kimono (Yukata) und zwei Handtücher, ein Großes und ein Kleines. Man zog sich erst im Haus aus, zog den Yukata an, nahm die Handtücher und machte sich dann auf den Weg Richtung Außenbereich. Dafür musste man über den Parkplatz und einen kleinen Weg in den Wald laufen. Am Eingang des Außenbereiches verabschiedete ich mich von Dennis. Wir wollten und in einer Stunde hier wieder treffen.
Erster Schritt: Schlappen aus und ins Schließfach. Okai, geschafft. Dann in den Umkleideraum. Es waren recht viele Japanerinnen, aber auch ein paar Ausländer anwesend. Juhu, trotzdem entspannte ich mich nicht. Ich suchte mir ein freies Schließfach, nahm das kleine Handtuch raus und die 100Yen Münze. Dann zog ich den Yukata aus, legte ihn ins Schließfach und versuchte abzuschließen. Ging nicht. Ich hab doch schon die 100Yen reingetan! Rütteln, Schlüssel nach rechts und nach links: Nichts. Nach einer Minute und großer, nackter Verzeiflung bemerkte ich die 100Yen Münze in meiner Hand. "Was ist eigentlich mit mir los?" Als die Münze im Schließfach war ging der Schrank auf wundersame Weise zu.
Nächster Schritt: Waschen. Ganz doll, mit viel Seife. Ach ne, ich hab ja noch ein Haarband & -gummi in den Haaren. Wieder zum Schließfach. Kram rein, jetzt aber raus hier. Wird ja langsam sehr peinlich. Jetzt stand ich, wie mich Gott und zu viel Schokolade geschaffen hatten draußen. Ah, da sind ja Waschgelegenheiten! Das es einen Waschraum gab, der eine höhere Temperatur als 7°C aufwies hatte ich in meiner Verwirrtheit wieder vergessen. Und so wusch ich mich gründlich, auch die Haare. Man sitzt in Japan dabei auf einem kleinen Hocker und bekommen die Seife gratis. Man wäscht sich ebenfalls mit dem kleinen Handtuch, das man aus dem Umkleideraum mitgenommen hat. Ich wollte ja alles richtig machen, also wusch ich mich gründlich, vergaß aber trotzdem die Ohren.
Wenn alle Seife im Abfluss ist und nicht mehr auf dem Körper oder im Handtuch darf man ins Becken, so hatte ich vorher gelesen. Also machte ich das auch, mir war ja kalt. Trotz anwesender Nichtjapaner fühlte ich deutlich die Blicke. Wahrscheinlich Einbildung, ich war einfach total unentspannt. Das Wasser war sehr heiß, aber eigentlich ist das genau mein Ding, heiß baden. Wie alle anderen setzte ich mich ab und zu auf den Rand des Beckens um mich wieder abzukühlen, aber irgendwie funktionierte das nicht richtig. Meine Körpertemperatur stieg an. Ein Blick auf die Uhr: viel zu früh! Wenn ich jetzt schon raus gehe muss ich ja die ganze Zeit in der Kälte auf Dennis warten. Also wieder rein ins Wasser. Nach 40min gab ich auf und verließ das Becken. Ich duschte mich kurz ab, aber auch nicht gerade kalt und so merkte ich, wie mir etwas schwummrig wurde. "Oh nein! Wenn ich mich jetzt hier hinsetze gucken mich alle an!" und so ging ich Richtung Innenbereich, da ist ja eine Bank und ...

... was ist das denn für ein Film? Ganz viele hektische Leute, ganz verschwommen ... die rufen was. Ich hör nur rauschen. Seltsame Perspektive. Ganz langsam wird mir bewusst: Ich liege auf dem Boden. Was ist passiert?
Natürlich ist das passiert, was ich garantiert nicht eingeplant und schon gar nicht gewollt hatte. Ich bin in Ohnmacht gefallen, zum zweiten mal in meinem Leben. In einem japanischen Onsen, vor den Augen aller im Wasser und im Umkleideraum Anwesenden, mitten auf der Schwelle. So weit ist es also mit meiner Ich-möchte-nichts-falsch-machen-Panik gekommen.
Was dann kam erlebt man glaube ich nur in Japan. Sofort kümmerten sich 5 fremde Frauen um mich, von irgendwo kamen Handtücher, jemand Stütze meinen Kopf. Man nahm meinen Schließfachschlüssel und holte den Yukata und das große Handtuch. Jemand gab mir kaltes Wasser zum trinken und ich war erst mal eine ganze Zeit benebelt. Eine Frau die Englisch sprach fragte mich was los sei, ich sagte ich hätte eine kleine Erkältung. Ich fragte sie, ob irgendwer Dennis Bescheid geben könnte. Als ich wieder alle Sinne bei mir hatte wurde mir klar, was passiert war und vor allem warum. Das Schamgefühl fand seinen Weg zurück in meinem Kopf und ein paar Tränen den Weg hinaus. So ein Sch**ß. Das Onsenpersonal brachte Trilliarden Handtücher und Yukata und am Ende sogar meine Jacke. Zwei Japanerinnen, eine Mutter und ihre Tochter, kümmerten sich die ganze Zeit um mich und versuchten mich mit allen Mittel warm zu halten bis ich mich wieder besser fühlte und den Umkleideraum verlassen konnte. Das war sehr rührend und ich habe mich noch sehr oft bei ihnen bedankt.
Am Ausgang habe ich dann auch Dennis getroffen, der sich angeregt mit dem Freund der englischsprachigen Frau unterhalten hatte. Ich versuchte das Geschehene möglichst gut wieder zu geben. Er war wohl auch sehr verwundert gewesen, als jemand im Onsen seinen Namen gerufen hatte und ihm mitteilte was geschehen war.
Ende von Onsen-Lied: Ein heißer Tee, eine Schläfchen im Ruhebereich und ein kleiner Besuch im Innenbereich des Onsen, aber nur ganz kurz. Dann die Haare schön gründlich trocknen und ab in die Innenstadt, um noch was zu essen. Wirklich viel Kraft hatte ich nicht mehr, aber es war trotzdem noch sehr lecker und lustig. Mir war aber klar, dass ich den nächsten Tag wohl im Bett verbringen würde.

Und hier sitz ich nun. Halsschmerzen, Schnupfen, blaue Flecken, aber dennoch guter Laune. Ich bin mir sicher, dass es mir morgen besser geht und dann heißt es für mich: Ab nach Tokio! Mit Shinkansen und einer Übernachtung, ganz alleine und auf Kosten meines japanischen Lehrstuhles, weil ich dort an der Uni Tokio einen Lehrstuhl besuchen darf, der sich u.a. mit Windenergieanlagen beschäftigt.
Das nächste große Abenteuer ist also schon in Sicht!

Liebe Grüße

Freitag, 11. November 2011

Amanohashidate - der letzte "Top 3 View"

Letzte Woche Donnerstag bin ich passend zum Tag der Kultur mit Dennis zur berühmten Sandbank bei Amanohashidate gefahren. Die Zugfahrten haben mich ca 80 € gekostete, aber das war es wert.
Endlich kann ich sagen:


Ich habe die offiziell drei schönsten Aussichten Japans gesehen!


Bevor ich aber dazu komme noch was anderes: Man Deutschland sollte mehr grünen Tee trinken.
Ich war eine ganze Zeit lang jeden Morgen schrecklich müde, hatte Kopfschmerzen und die Wirkung von Kaffee war auch eher so lala. Dann hab ich mal zu Tee statt Kaffee gegriffen und was soll ich sagen: Die Kopfschmerzen waren weg und ich konnte mich besser konzentrieren. Wenn ich in letzten Monaten mal den Eindruck hatte das ich krank werde, dann hab ich mir nen Tee gemacht. Ich war bisher hier nie richtig erkältet und das trotz der vielen Klimaanlagen im Sommer. Übrigens:
Wikipedia berichtet von Studien, die grünem Tee eine lebensverlängernde Wirkung bestätigt haben. Na wenn das mal kein Grund ist ...

Jetzt aber zum Thema.
Amanohashidate liegt noch in der Präfektur Kyoto, aber leider ganz weit im Norden an der Küste. Das habe ich auch erst relativ spät heraus gefunden, aber dann gab es auch kein zurück mehr. Wieso auch? Ist doch toll, so'n Tag am Meer. Wir hatten auch exzellentes Wetter!

Die lange Fahrt (pro Richtung 2 Stunden) haben wir uns mit einem japanischen Kartenspiel vertrieben, was wir aber im Endeffekt immer noch nicht richtig verstanden haben. Es ging irgendwie um Jahreszeiten, Blumen und Disney Filme.

In Amanohashidate haben wir uns erst mal zwei rote Fahrräder geliehen. Da hat der große Dennis gerade noch drauf gepasst, aber ich glaube es war nicht besonders gemütlich. Dann ging's auf die Sandbank.
Diese ist mit Kiefern bewachsen und hat sehr schöne Sandstrände, die im Sommer zum schwimmen einladen. Obwohl es nicht gerade kalt war, war hier gar nichts los. Keine verliebten Pärchen beim Strandspaziergang. Die haben alle den richtigen Gehweg unter den Kiefern vorgezogen. Muss man nicht verstehen.
Wir haben jedenfalls ein wenig die Aussicht genossen und ein paar Erinnerungsfotos geschossen.

Tada!

Wir haben dann noch viele andere lustige und schöne Fotos schießen können, aber das könnte ihr euch alles in der Galerie anschauen. Hier der Link:

Amanohashidate, 03.11.2011

Dann konnte man auf der anderen Seite der Bucht mit einem Sessellift auf einen Berg fahren und den Ausblick bekommen, für den der Ort im Endeffekt berühmt ist. Denn die Sandbank sieht aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive (man muss sie auf dem Kopf betrachten) aus, als würde sie in den Himmel führen. Deswegen wird sie auch die Himmelsbrücke genannt.

Dreht doch mal den Bildschirm um

Nach einer kleinen Stärkung und einem Erinnerungsfoto mit dem Maskottchen ging es mit dem wilden Sessellift wieder runter. Dennis hat ein Video gemacht. Ich muss immer lachen, wenn ich es mir anschaue. Ihr hoffentlich auch:


Als wir dann alles gemacht hatten, was man in Amanohashidate machen muss, sind wir nach Sonnenuntergang wieder nach Kyoto gefahren und waren erst mal schön beim Italiener.
Das war so lecker! Ihr habt ja keine Ahnung, wie sehr ich gutes, italienisches Essen vermisse.

So, jetzt hab ich auch erst mal nichts mehr zu erzählen. Mal schauen was das Wochenende bringt.

Viele Grüße

Dienstag, 8. November 2011

Kimono Jam

Am 29. Oktober startete in Kyoto eine Woche rund um japanische Kultur, mit dem passenden Feiertag am 3. November.

Auftakt am ersten Festtag war eine Parade, genannt Kimono Jam, welcher um 11 Uhr statt finden sollte. Die Veranstalter des Kimono Kurses, den ich vor kurzem besucht habe, luden uns dazu ein umsonst eines dieser traditionellen, japanischen Gewänder für eine Woche auszuleihen. Ausserdem hätte man die Chance direkt auf dem Umzug mit zu laufen. "Da simma dabei!", dachten sich meine chinesische Freundin und ich.
Die große Überraschung kam dann bei der Ausgabe der Kimonos und einem Blick in die Tüte: Kimono und Obi (Gürtel). Sonst nichts.
Keine Schuhe? Keine Unterwäsche? Keine Koshihimo (Bänder)? Keine Socken? Kein komisches Plastikteil, das den Bauch flach macht? Oh nein!!
Aber sowohl in China als auch in Deutschland weiß man: Not macht erfinderisch. Ich kaufte mir Unterwäsche und Plastikteil, weil mir die eh noch für meinen Yukata fehlten. Die Bänder schnitt ich mir aus einem Stück Stoff, das ich im Depato (Kurzform von Departmentstore = Kaufhaus) günstig erwarb. Und dazu zog ich einfach normale Schuhe mit weißen Socken an.

Ich stand also am Morgen des 29. Oktobers pünktlich um 8 Uhr auf und war um 10 Uhr fertig angezogen (ohne duschen). Dann kam der schwierige Teil: alleine im Bus zum Treffpunkt.
Ich wollte im Erdboden versinken. In meiner Nachbarschaft lief natürlich niemand im Kimono rum und schon gar nicht mit blonden Haaren. Ich habe mich selten so beobachtet gefühlt wie an diesen Tag und wollte zeitweise einfach nur im Boden versinken.
Natürlich war ich pünktlich am Treffpunkt, nur Ivon leider nicht. Sie rief mich an und sagte, dass sie sich verspäten würde. Na super! Wird ja immer besser.

Da stand ich nun und wartete.

Plötzlich näherten sich mir vorsichtig ein paar Japaner. Sie zogen ihre Kameras behutsam hervor und schlichen sich an. Einer traute sich und fragte, ob er ein Foto machen könnte. Natürlich durfte er! Von da an gab's kein zurück mehr. Es wurde auf den Auslöser gedrückt was das Zeug hält. In Null Komma Nix war ich das Fotoobjekt Nummer 1 an dieser Häuserecke. Das war alles so skurril! Um mich ein wenig zu beruhigen und um aus dieser Opferrolle wieder raus zu kommen machte ich ein kleines Video von mir und der Szenerie.


Zum Glück fing irgendwann die Parade an. Auch das Mitlaufen wurde mir erspart! Gott sei Dank, so rückte ich langsam aus den Fokus der Japaner und konnte ein wenig die Atmosphäre genießen.

Die erste Hälfte der Parade bestand eigentlich nur aus "American Style" Marschkapellen. Öde! Ich dachte, ich bekomme hier was von original japanischer Kultur zu sehen. Immerhin mehr Musik und Action als beim Jidai Matsuri.

Lächeln und winken

Als das Getröte vorbei war kam dann auch endlich mal Ivon. Sie und ihre Freundin hatten etwas länger gebraucht um den Kimono anzuziehen, ihn aber im Endeffekt doch falsch angelegt. Nicht links über rechts, sondern rechts über links. So tragen den Kimono nur die Toten. Dumm gelaufen, aber egal!
Den zweiten Teil der Parade konnten wir dann zusammen genießen. Da gab es dann traditionelle, japanische Tänze aus vielen Gegenden Japans, sowie einen internationalen Teil mit beispielsweise chinesischen Löwen- und Drachentänzen.

Löwentanz

Ich hab noch einige Videos gemacht, bei bedarf kann ich ein paar noch hochladen. Muss aber auch nicht sein. Vielleicht schaut ihr euch statt dessen noch die restlichen Fotos an, die ich gemacht habe:


Den ganzen Tag einen Kimono zu tragen erfordert übrigens Muskeln, die eine Durchschnittseuropäerin gar nicht hat. Also hieß es für die nächsten zwei Tage erst mal Muskelkater und Rückenschmerzen, weil man durch den großen Gürtel eine übertrieben gerade Haltung annehmen muss.

Am nächsten Tag habe ich zusammen mit Dennis einen kleinen Ausflug zum Arashiyama gemacht. Leider hat es die ganze Zeit mindestens geflieselt und ganz fit war ich auch nicht, aber es sind doch noch ein paar schöne Bilder bei rumgekommen:

Arashiyama, 30.10.2011

Das war's erst mal wieder von mir. Das nächste mal erzähle ich euch dann von der Himmelsbrücke von Amanohashidate. Klingt gut, nicht?

Viele Grüße